(Siehe auch >>Methodik-Didaktik
->Alphabetisierung>>)
Allgemeines:
Studien zeigen, dass Kinder, die bereits in ihrem Herkunftsland den Schriftsprach-erwerb vollzogen haben, bessere Leistungen in der Zweitsprache aufweisen als
jene Kinder, die im Einwanderungsland geboren und in ihrer Zweitsprache lesen und schreiben lernen. Jim Cummins, ein kanadischer Professor für Pädagogik, hat für dieses Phänomen folgende
Erklärung gefunden: Mit dem Schriftspracherwerb in der Erstsprache werden akademisch-schriftsprachliche Fähigkeiten erworben, die es dem Lerner ermöglichen, Sprache als kognitives Werkzeug zu
benutzen. Das heißt: Aspekte schriftsprachlicher Fähigkeiten wie Lesestrategien, Textsortenkenntnis, Lösung textbasierter Aufgaben, Analyse- und Abstraktionsfähigkeit gleichen sich in den
verschiedenen Sprachen und können vom Lerner auf die Zweitsprache übertragen werden.
Mehrsprachige Kinder, die erst in Österreich eingeschult werden, können diese Vorteile nicht nutzen.
Andererseits bringt der Schriftspracherwerb in der Zweitsprache auch Chancen mit sich, da er zugleich auch Spracherwerb ist. Mit der Aneignung der Schrift wird Sprache im Sinne der konzeptionellen Schriftlichkeit unterstützt. Daher sollte der
Schrifterwerb zur Unterstützung der gesprochenen Sprache genützt werden (JEUK / SCHÄFER 101 ff.)
Der Schriftspracherwerb bringt die sprachliche und kognitive Entwicklung entscheidend voran. Mit der Schriftkompetenz werden neue Qualitäten des Denkens und des Umgang mit Sprache ermöglicht.
Literale Vorerfahrungen:
Der Erwerb schriftlich-konzeptualer Fähigkeiten setzt früher ein als der eigentliche Schriftspracherwerb. Die Entwicklung dieser protoliteralen Kompetenzen (Funktion, Gebrauch und Funktionen von Schrift; phonologische Bewusstheit und Buchstabenkenntnis) sollte in der Familie sowie in vorschulischen
Bildungseinrichtungen gefördert werden, z. B. durch gemeinsames Betrachten von Bilderbüchern, Vorlesen (Einbeziehen der
Kinder in das Erzählgeschehen!), Kinderlieder, Sprachspiele, Reime usw. oder durch den Gebrauch von Schrift im Alltag (Einkaufszettel, Medien,
Verkehrs- oder Geschäftsschilder usw.).
Studien zeigen, dass die meisten Migrantenkinder zu Hause wenig Erfahrung mit Literalität machen. Die Eltern selber lesen wenig, es wird wenig vorgelesen und die generelle Bedeutung von Schreiben
und Schrift ist in vielen Familien mit Migrationshintergrund kaum vorhanden. Dies ist jedoch nicht nur mit Bildungsferne zu erklären, sondern hat auch kulturbedingte Hintergründe. Während unsere
Kultur wesentlich durch Schrift geprägt ist, hat in anderen Kulturen die gesprochene Sprache eine größere Bedeutung als das geschriebene Wort. Auch das Vorhandensein von Büchern in der
Erstsprache ist keine Selbstverständlichkeit. Zudem erschweren zumeist beengte Wohnverhältnisse das ruhige Betrachten bzw. Lesen eines Buches. DaZ-Schüler:innen durchlaufen den
Schriftspracherwerb also unter erschwerten Bedingungen und zudem in einer Sprache, die sie erst schwach entwickelt haben. Das bedeutet eine große kognitive Herausforderung für diese Kinder.
(SCHULTE-BUNERT, S. 129-153).
Kinder mit Deutsch als Erstsprache verfügen beim Schuleintritt über mindestens sechs Jahre Erfahrung mit der Sprache. Diese Erfahrung (umfangreicher Wortschatz, Phonetik, implizit erworbene
Grammatik) ist die Grundlage für das Lesen- und Schreibenlernen, also für die Vermittlung der Laut-Zeichen-Beziehung einer Buchstabenschrift.
>>Schriftspracherwerb in der
Grundstufe>>