Alphabetisierung in der Grundstufe
Grundsätzliches:
DaZ-Kinder durchlaufen beim Lesen- und Schreibenlernen dieselben Phasen wie Kinder mit Deutsch als Erstsprache. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt,
dass für DaZ-Kinder unter allen didaktischen Konzepten Fibelkonzepte am wirkungsvollsten sind. Hingegen beinhaltet der Schreiberfahrungsansatz ("Lesen durch Schreiben")
Probleme. Auch die Aufforderung, mit der Anlauttabelle "ihre" Wörter zu schreiben, birgt Gefahren für die DaZ-Kinder (falsch gespeicherte Klangbilder deutscher Wörter wie z. B.
Affel statt Apfel). Zum anderen muss gewährleistet sein, dass die Kinder das auf der Tabelle gezeigte Bild auch wirklich mit dem entsprechenden deutschen Wort verbinden. Wenn
die deutschen Bedeutungen des Bildes nämlich nicht gefestigt sind, tendieren die DaZ-Kinder dazu, mit dem Bild den jeweiligen Begriff ihrer Erstsprache zu assoziieren und dann den entsprechenden
Anlaut zu verwenden (Bild "Ball" -> auf Türkisch "top" -> Anlaut /t/ statt /b/. Daher ist eine intensive Übung mit dem Wortschatz der Anlauttabelle Voraussetzung für die Arbeit damit.
Optimal wäre es, wenn das Wortmaterial der Anlauttabelle bereits im Kindergarten eingeführt und im Lernerwortschatz verankert werden könnte (MICHALAK/KUCHENREUTHER
S. 143).
Für
den Beginn des Schriftspracherwerb macht es Sinn, Fibelwörter mit einer
1:1 Phonem-Graphem-Korrespondenz
zu nutzen. Der Satz "Ali malt Moni" erleichtert es DaZ-Kindern, das Prinzip der Abbildung von Lauten durch Buchstaben zu erkennen. Im Gegensatz zu diesem Satz: "Muschi springt." Das
Phonem /ʃ/
wird einmal durch die Graphemkombination <sch> und einmal durch das Graphem <s> wiedergegeben.
(BELKE 2003 S. 24)
Besondere Lernvoraussetzungen der DaZ-Kinder:
Da nur auf der Grundlage von
semantisch, phonologisch und syntaktisch
verarbeitetem Sprachmaterial eine erfolgreiche Vermittlung der Phonem-Graphem-Korrespondenz möglich wird,
müssen die speziellen Lernvoraussetzungen der DaZ-Kinder unbedingt berücksichtigt werden:
-
Zunächst muss eine Basis in der mündlichen Alltagskommunikation gelegt werden. Der Fokus ist
auf den Auf- und Ausbau eines altersgemäßen Wortschatzes zu richten. Dazu gehören Inhaltswörter (Nomen, Verben, Adjektive) und
Funktionswörter (Artikel, Pronomen, Präpositionen, erste Konjunktionen, Adverbien und Partikeln). Die im Leselehrgang verwendeten Wörter müssen die Lernenden nicht nur verstehen, sondern auch
aktiv verwenden können (Michalak / Kuchenreuther S. 142).
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Einführung von grundlegenden syntaktischen Mustern (Aussagesätze, Fragesätze,
Aufforderungssätze). Wenn Satzmuster bewusst gelernt und durch Wiederholen eingeschliffen werden, können DaZ-Kinder viel lernen. Denn: Strukturierte
Mündlichkeit bereitet den Schriftspracherwerb vor!
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Der Zusammenhang zwischen der Aneignung des lautlichen Systems und der Fähigkeit zum
Schriftspracherwerb ist unbestritten. Spezifische Laute der Zweitsprache können die DaZ-Kinder meist nicht hören - schon gar nicht artikulieren oder gar schreiben. Daher müssen Artikulations-
und Hörstrategien zusätzlich zu den in der Erstsprache genutzten erworben werden. Zu Beginn ist daher der Schwerpunkt auf das bewusste Wahrnehmen der z. T. unbekannten Laute und
Lautkombinationen zu legen. Denn die Fähigkeit, die lautliche Struktur zu erkennen und zu durchgliedern (phonologische Bewusstheit) ist die zentrale Voraussetzung zum Schriftspracherwerb
(Michalak / Kuchenreuther 142).
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Im Anfangsunterricht muss dem
auditiven
Bereich viel Raum gegeben werden, da er der zentrale Bereich für das Lesen- und Schreibenlernen ist. Die Anlauttabelle ist zwar ein sinnvolles Medium. Aber sie ersetzt nicht systematische und
sorgfältige Übungen zu jedem einzelnen Buchstaben. Selbstständiges Abhören der Laute (wie es oft in Lehrwerken vorgeschlagen wird) setzt eine sichere auditive Diskriminierungsfähigkeit
voraus, und diese ist bei DaZ-Kindern - vor allem im Anfangsunterricht - oft nicht gegeben.
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Wesentlich ist vor allem die auditive Wahrnehmung der kurzen und langen Vokale, die im Deutschen bedeutungsunterscheidend sind. In
vielen Herkunftsländern ist dies nicht der Fall. Viele haben daher Schwierigkeiten mit Vokaloppositionen wie z. B. in Ofen - offen, bitten - bieten, beten -betten usw.
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Zudem kommen im Deutschen viele Wörter mit Konsonantenhäufungen vor. Türkische und italienische Kinder fügen daher oft so genannte
"Sprossvokale" ein, um sich die Aussprache zu ermöglichen ("Ziwillinge"). Daher muss auch diese lautliche Struktur besonders geübt werden , z. B. mit
"Zungenbrechern"
(HOFFMANN / WEIS S. 58-59).
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Weitere schwierige Bereiche für die DaZ-Schüler:innen sind...
- die auditive Wahrnehmung der Diphtonge (ei, au, eu) und ihre Verschriftlichung, die im Deutschen nicht phonetisch ist.
- die auditive Wahrnehmung und Verschriftlichung der Umlaute inklusive der Bewusstmachung des Wechsels zwischen <a> und <ä> (Hahn/Hähne), <u> und
<ü> (Buch/Bücher), <o> und <ö> (boshaft/böse), <au> und <äu> (Haut/Häute).
- auditive Wahrnehmung des Phonems /h/: DaZ-Kinder aus romanischen Ländern nehmen es nicht wahr, Kinder aus slawischen Ländern neigen dazu, es zu spirantisieren ("gecht"
statt "geht").
- Es muss dafür gesorgt werden, dass die Schüler:innen sukzessive auch jene Laute, die ihnen aus ihrer Erstsprache nicht vertraut sind, hören und artikulieren
können.(BELKE 2003 S. 128)
-
Zu beachten ist weiters die Tatsache, dass gleiche Grapheme in einigen Herkunftssprachen und in der deutschen Sprache verschiedene Lautwerte haben können wie
z. B.:
<ch> im Deutschen: [ç], z.B. ich oder
[x], z.B. ach
im Englischen und Spanischen:
[ʧ], z.B.
much,
mucho
im Italienischen: [k],
z.B.
chiaro
<z> im Deutschen: [ts]
im Spanischen: [z]
oder gleiche Phoneme entsprechen unterschiedlichen Graphemen in den
Herkunftsländern
und im Deutschen:
/œ/> im Deutschen: <ö>, z.B. Hölle
> im Französischen: <eu> , z.B. beurre
/ʃ/ > im Deutschen: <sch>, z.B. in Schal
> im Türkischen: <ş>, z.B. şablon
> im Englischen: <sh>, z.B. Shine
> im Französischen: <ch>, z.B. vache
Solche "Interferenzbuchstaben"
sollten zu Beginn des Schriftspracherwerbs vermieden werden.
Es ist wichtig, dass sich die DaZ-Kinder vom deutschen
Schriftsystem
insgesamt ein Bild machen können. Das gelingt nicht, wenn nur einzelne Phonem-Graphem-Beziehungen thematisiert werden. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang, das Strukturmuster vieler Wörter
deutlich zu machen (betonte - unbetonte Silbe: Hase, Apfel, Mutter, Tafel usw.). Dabei ist zu beachten, dass die Wörter auch verstanden werden (NIEBUHR- SIEBERT / BAAKE S. 179).
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Mit
Schreibschriftübungen
erst dann beginnen, wenn die Kinder die Laute sicher abhören und abbilden sowie die Silben zergliedern können und die motorischen Fähigkeiten so gut entwickelt sind, dass das das Schreiben in
Druckschrift gut funktioniert.
Buchempfehlung zu diesem Thema: Gerlind Belke: Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht.
Schneider Verlag: Baltmannsweiler 2003
>>Alphabetisierung in der Sekundarstufe I>>
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Literatur siehe -> Rubriktext "Lernbereiche"